Norbert Lingen

Autor

Weihnachtstöne

Norbert Lingen

 

Die Zeiten in München werden kürzer, der Lichtschein trüber. Die Luft erkaltet, bevor sie später im Jahr erstarrt. Die Regentropfen rieseln herab, die Blätter segeln zu Boden. Es ist die Zeit, wo es drinnen behaglicher ist als draußen. Die Tage sind grau und diffus. Es scheint, als verabschiede sich das Licht und die Dunkelheit gewönne die Oberhand.

Falls ein verirrter Mensch das zugewachsene und uneinsehbare Grundstück passierte, käme ihm das Bild des zugewucherten Dornröschenschlosses in den Sinn. Dichte Hecken, dornige Sträucher, armdicke Ranken und undurchdringbares Grün lassen keinen Lichtstrahl durch. Die winzige rückwärtige Eingangspforte versteckt sich vor Fremden. Der Verkehrslärm der benachbarten Magistrale nimmt dem Ort die Dornröschenromantik.

Hinter den Festungshecken am Kaminfeuer in einem immensen Fauteuil sitzend, starrt Wolfgang Amadeus in die züngelnden Flammen. Er liebt die finstere Jahreszeit. Sie passt zu seinem generellen Gemütszustand. Depression ist es nicht, das mag er sich nicht eingestehen. Was draußen geschieht, ist unwichtig. Er verkriecht sich in seinem versteckten Haus. Sonst braucht er nichts, meint er.

Die Zeit ist reif für besinnliche Musik, sagt er sich und nickt bestätigend mit dem Kopf. Er kommt nicht darauf, dass Kopfnicken sinnlos ist, wenn es niemand sieht. Er ist, wie meist, allein. Er ist bei den wenigen Menschen, die ihn versorgen, als schweigsam bekannt. Das ist Wolfgang Amadeus recht, redet er doch nicht gerne. Er mag es, für sich zu sein.

Im Gegensatz zur Sprache und den Alltagsgeräuschen liebt er Musik mit ganzer Seele. Im Augenblick ertönen himmelsgleich hinreißende Töne aus dem Lautsprecher. Die g-Moll-Symphonie von Mozart mit dem rollenden, beschwingten doch melancholischen Thema erfüllt den Raum. Er kennt jeden einzelnen Ton, bekommt nie genug von diesem Stück, ist hin und weg.

Wolfgang Amadeus ist musikalisch mehr als begabt. Das weiß er, obwohl niemand es ihm je gesagt hat. Er spielt kein Instrument. Das braucht er nicht. Eine Partitur oder Notenblätter reichen ihm. Wenn er sie liest, entsteht jeder Ton in seinem Kopf. So hört er, ohne Schallwellen zu bemühen, die wunderbarste Musik. Der taube Beethoven muss auf ähnliche Weise seine unergründliche Musik genossen haben.

Umgekehrt läuft das Notensystem mit den gehörten Tönen der g-Moll-Symphonie vor seinen Augen ab. Das ist eine bemerkenswerte Gabe. Doch weiß niemand etwas davon. Er hat es jedenfalls bis heute keinem verraten. Es gibt niemanden, mit dem er darüber hätte reden können oder wollen. Er ist ein Eigenbrötler, so nannte man ihn als Kind. Sonderling oder Kauz riefen sie ihn später. Er gab ihnen recht, verzog sich in sein Haus und die Welt vergaß ihn. Seine Eltern verstarben früh, hinterließen ihm ein ansehnliches Vermögen, von dem er gut lebt. Eine schweigsame Zugehfrau versorgt ihn mit allem Notwendigen. So konzentriert er sich auf seinen selbst gewählten Lebenszweck, die Musik. Nichts anderem schenkt er Beachtung. Sein Leben kreist um ihn selbst. Keiner will etwas von ihm wissen und er interessiert sich für niemanden. Er kommt niemals aus dem Haus, kennt die Welt nicht, nicht ihre Freuden, nicht die Geräusche, weder Straßenlärm noch die Natur.

In seinem Ausweis steht Theo Müller. Wolfgang Amadeus nennt er sich, wegen seiner Begabung. Auch das ahnt niemand. Er lauscht tief in Gedanken versunken und mit Emotion der verzaubernden Musik. Für eine Frage, die er sich immer wieder stellt, hat er bislang keine Antwort gefunden. Wie hat Mozart das gemacht? Wie schafft man eine solche gefühlsmächtige, dabei unendlich paradiesische und gleichzeitig einfach klingende Musik. Er weiß zwar, wie man ein Musikstück handwerklich komponiert, aber nicht wie man den bezaubernden Affekt, die rauschende Hysterie, die besinnliche Gemessenheit, den unermessliche Seelenschmerz erschaffen kann.

Dabei ist er musiktheoretisch beschlagen. Mit Musikgeschichte, Formlehre, Tonsatz, Harmonielehre, Kontra-punkt und Melodiebildung hat er sich auseinandergesetzt. Er hat sich alles aus Büchern beigebracht. Kompo-sition beherrscht er, zumindest theoretisch. Doch bis auf wenige missglückte kleine Werke ist ihm nichts ge-raten. Misslungen waren seine Stücke, weil sie kein Fünkchen entzündeten. Keine Emotion, keine Ablehnung, keine Begeisterung. Sie waren nach den klassischen Kompositionsregeln erstellt und Laien könnten sie vermutlich gut anhören, ohne die Nase zu rümpfen. Aber die Melodien sind vergessen, nachdem der letzte Ton verklingt. Er schafft keine Wirkung. Er weckt keine Seelenregung, keine Empfindungen. Er findet nicht die richtigen Töne.

In diesem Jahr will er es nochmals angehen. Das ist sein letzter Versuch. Diesmal muss es klappen. Wenn nicht, ist sein bisheriges Leben zu Ende. Er will ein Weihnachtsstück komponieren, dass den Hörern im Ge-dächtnis bleibt. Eine Musik, die begeistert, zu Tränen rührt und Freude verbreitet, die entsetzt und das Fürchten lehrt. Nicht mehr und nicht weniger will erreichen. Er weiß, es ist anspruchsvoll. Er hat bisher nicht einmal einen Ohrwurm geschafft, was jeder einigermaßen begabte Schlagerkomponist hinbekommt.

Er forscht schon länger, nutzt alle erreichbaren Quellen, solche, die ohne das Haus zu verlassen und persön-liche Kontakte zu nutzen sind. Bislang sind seine Ergebnisse ernüchternd. Er hat keinen Weg gefunden, wie er sein ehrgeiziges Ziel erreichen könnte.

Wolfgang Amadeus hat zwar immer Musik im Kopf, aber zum Ausgleich beschäftigt er sich zusätzlich mit einem anderen Sujet. Im Laufe der Zeit hat sich ein weiteres spannendes Thema für ihn herausgeschält. Es könnte seine zweite Leidenschaft werden, die Geographie. Er liebt es Landkarten aller Art zu betrachten. Er ist fasziniert von den Darstellungsmöglichkeiten und der Aussagekraft der Kartographie. Karten zeigen Zusammenhänge, die man aus den reinen Zahlen niemals erkennen könnte. Seine Vorgehensweise ist systematisch. Er begann mit topographischen Landkarten, begeistert sich für Straßen- und Wanderkarten, analysiert alle Arten von thematischen Karten. Hier ist die Kaufkraftkarte, die ihm zeigt, wie sich die Einkommen räumlich verteilen, seine Lieblingskarte. Er weiß, dass er in einem Gebiet außergewöhnlich hoher Kaufkraft wohnt.

Seine einfachste Quelle für Karten sind die offiziellen Kartenviewer der Vermessungsverwaltungen der Bundes-länder im Internet. Zurzeit ist er in Bayern unterwegs. Hier sind neben topographischen Karten aktuelle Luftbilder und, was noch interessanter ist, historische Karten anzusehen. Er streift ziellos durch die Oberpfalz, sieht Regensburg, wendet sich nach Norden und liest Orte, die er weder kennt, noch deren Namen er jemals gehört hat. Teublitz ist ein solcher Ort. Wohl eine Kleinstadt am Rande eins großen Forstes. Er zoomt in die Karte hinein und stockt überrascht. Was ist das? Er erkennt eindeutig das Wort Ton. Es steht östlich der rot eingezeichneten Siedlungsflächen, der Grünzeichnung des Waldes, den blauen Weihern auf grauer Fläche. Eingegrenzt von roten Linien, versehen mit kurzen im rechten Winkel abstehenden Strichen, wird eine Grube veranschaulicht. Was haben Töne in Landkarten zu suchen? Er wechselt zu Google-Maps, hier kann man wunderbar recherchieren, was sich an bestimmten Orten befindet. Er sieht auf den ersten Blick, als er den passenden Ausschnitt gefunden hat, dass es sich um eine Tongrube handelt.

„Was mag das sein, eine Tongrube?“, fragt er sich mit lauter und neugieriger Stimme. Er kennt einige Begriffe rund um Töne.

Zunächst die Definition: Der Ton ist ein Klang mit einer festen Frequenz, der durch gleichmäßige Schwingungen erzeugt wird. Rein physikalisch ist er eine Schallwelle, die sich in der Luft ausbreitet.

Dann hat er sofort Termini wie Tonleiter, Tonart, Tonlage, Tonhöhe, Tonfolge, Tontechnik, Tonstudio, Tonband oder Tonmeister im Kopf. Tongrube hat er nie gehört. Er bildet sich ein, die Bezeichnung „Ton“ gut zu kennen. Also denkt er über den zweiten Begriff „Grube“ nach.

Zunächst die Definition: Eine Grube ist eine Vertiefung in der Landschaft, die durch Erosion. Erdrutsche oder Einstürze von Hohlräumen entstehen.

„Was haben Töne mit Erdrutschen oder Höhleneinstürzen zu tun?“

Er kann sich nicht vorstellen, dass Töne irgendetwas mit natürlich entstandenen Gruben zu tun haben könnten.
Eine Grube kann aber auch die Folge von Bauarbeiten oder Bergbau sein. Er hat schon Bilder der ausgedehnten Gruben des Braunkohletagebaus im Rheinland gesehen. Er denkt über den Tagebau nach. Da gibt es nicht nur den Braunkohleabbau, auch Sandgruben, Kiesgruben oder Steinbrüche sind bekannt. Aber Tongrube hat noch nie gehört. Ihm schießt der Gedanke an einen Orchestergraben durch Kopf. Das ist es. In der Musik gibt es demnach Gruben oder Gräben tatsächlich. Warum sollte er nicht eine neue Art der musikalisch bedeutsamen Grube entdecken?

Sein Puls steigt. Er hat das Gefühl, er habe etwas Großes im Visier. Er ist drauf und dran, auf etwas Sensatio-nelles zu stoßen. Benennen kann er es nicht. Kann es sein, dass es unterirdische Tonvorkommen gibt, die niemals für den praktischen Einsatz in der Musik genutzt wurden? Ist es möglich, dass er dort in den Teublitzer Tongruben genau die Art von Ton findet, die ihm die Schaffung des ersehnten genialen Affektes seiner Musik ermöglicht? Sein Forschergeist ist erwacht. Er schaltet den Computer aus und verlässt sich nur noch auf sein Gehirn, sein Wissen, seine Intuition. Seiner Ansicht nach geht er wissenschaftlich vor.

1. Frage: „Ist es vorstellbar, dass es unterirdische Töne gibt?“

1. Antwort: „Ja“, er ist sicher, dass bei der Vielzahl von Hohlräumen unter der Erde auch Töne gelagert sein könnten.

2. Frage: „Ist so etwas Flüchtiges wie Schallwellen unterirdisch zu lagern?“

2. Antwort: „Ja bestimmt“, er ist der Ansicht, dass in den geschlossenen Höhlensystemen flüchtige Töne nicht entweichen können.

3. Frage: „Gibt es unterschiedliche Tonqualitäten?“

3. Antwort: „Ja, auf jeden Fall.“ Bei der Vielfalt der musikalischen Ausdrucksweisen ist er überzeugt, dass eine Anzahl unterschiedlicher Tonqualitäten vorhanden ist.

4 Frage: „Wenn ein Ton flüchtig ist und sich nur in geschlossenen Höhlensystemen ablagert, wie funktioniert unter diesen Umständen ein Ton-Tagebau?“

4. Antwort: „Weiß ich nicht“. Er kann sich nicht erklären, wie im Tagebau Töne unterschiedlichster Qualität abgebaut und gespeichert werden könnten. Doch das bedeutet seiner Ansicht nach nicht, dass es nicht funktionierte. Er ist schließlich kein Alleswisser.

Er brütet lange über seine vier Fragen. Er ist am Ende der zwei Tage und Nächte des Nachsinnens überzeugt davon, einer Sensation auf der Spur zu sein. Er ist sicher, dass der Tonabbau im Geheimen geschieht. Es ist kein Zufall, dass nur eine Elite von Wissenschaftlern und Künstlern, in die höchsten Regionen der Kunst auf-steigen können. Diese kleine elitäre Schicht nennt er für sich „Tongewinnler“. Das klingt ein wenig herabsetzend. Solange er nicht dazugehört, soll das auch so sein.

Es ergibt sich über die 48 Stunden des Nachdenkens noch eine weitere Frage.

5. Frage: „Wenn es sich um ein geheimes Projekt handelt, warum ist die Abbaustelle offen in einer für jedermann zugänglichen Karte verzeichnet?“

5. Antwort: „Ist doch klar.“ Seine Schlussfolgerung ist verblüffend einfach. Der in der Karte eingezeichnete Ton hat nichts mit Musik zu tun. Es handelt sich um den Abbau des Baustoffes Ton. Das kann nur eine geniale Tarnung sein. Damit ist Frage 4 geklärt. Der Tagebau ist die Tarnung. Der echte Tonabbau muss auf andere Weise erfolgen.

Wolfgang Amadeus hat sich so in seine Idee von unterirdischen Tonlagern für die Musik verrannt, dass er einen ausschließlich normalen erd- und baugebundenen Tonabbau ausschließt.

Für Wolfgang Amadeus ist die Sensation perfekt. Er muss sie nur für sich nutzen. Für sein Projekt, eine Weihnachtsmusik mit unwiderstehlicher und unvergesslicher Wirkung zu erstellen, muss er diese unzugänglichen Töne bekommen. Nur wie?

Das Internet ist ungeeignet. Das ist ihm sofort klar. Er kann niemanden beauftragen. Dazu ist das Projekt zu vertraulich. Die andere Schwierigkeit ist, dass er keinen kennt. So schwer es ihm fällt, gibt er sich selbst gegenüber zu, dass sein Dasein sich gravierend ändern wird. Das bislang Undenkbare wird Realität. Er wird sich selbst auf den Weg machen müssen. Diese Erkenntnis erschüttert ihn und bringt sein seit Jahrzehnten mühsam aufrechterhaltenes inneres Gleichgewicht ins Wanken.

Er stolpert in sein Schlafzimmer, verdunkelt die Fenster, denn es ist helllichter Tag, und fällt in einen tiefen Schlaf. Kurz vor dem endgültigen Wegsinken in die Traumwelt schießt ihm ein seltsamer Gedanke mit der Stimme seiner Mutter durch den Kopf: ‚Was ist das wieder für ein Unsinn, Theo?‘

Wolfgang Amadeus hat das Gefühl, kaum eingeschlafen zu sein, als er aufwacht und hochschreckt. Er ist verwirrt, braucht Zeit, aus der Tiefe seiner selbst in die Gegenwart zu finden. Er reibt sich die Haare, schaut sich mit verschwollenen Augen in seinem dämmrigen Zimmer um. Kein Licht dringt durchs Fenster. Durch den Türspalt schimmert das Flurlicht hinein. Es ist schwarze Nacht. Langsam klären sich seine Gedanken. Die Tongrube mit ihrem verheißungsvollen Schatz fällt ihm wieder ein. Er springt auf. Er weiß, was zu tun ist.
Er sieht sich im Spiegel, der neben der Tür an der Wand hängt. Er ist in voller Kleidung. Er hat sich zum Schlafen nicht ausgezogen. Seltsam. „Egal“, ruft er laut und erschrickt über den Klang der Stimme. Ganz wach ist er wohl noch nicht. Er greift seinen Rucksack, reißt den Kleiderschrank auf und zerrt wahllos Kleidungsstücke und den Schlafsack aus dem Schrank und stopft sie hinein, bis er prall gefüllt ist. Das muss reichen.

Er stolpert in die Küche, denn in seine Schuhe ist er noch nicht ganz hineingeschlüpft. Er füllt eine Flasche mit Leitungswasser und steckt zwei Äpfel ein. Mehr braucht er nicht. Schlüssel und Handy, er schließt die Haustür von außen ab und marschiert los. Er lebt in einer bayerischen Großstadt, die nachts nicht ruht. So erblickt er recht schnell ein Taxi mit leuchtendem Schild, winkt und der Wagen fährt rechts heran.

Wolfgang Amadeus steigt in den Fond.
„Wo fahr’n ma denn am frühen Morgen hin?“
„Fahren Sie mich nach Teublitz in die Tongrube.“
„Wohi?“
„Haben sie nicht gehört, nach Teublitz in die Tongrube.“
„Des is jo ned glei vor der Tür. Wo find ma denn Teublitz? I hob in a hoalba Stund Feierabend.“
„Wollen Sie die Fahrt machen oder nicht?“
„Jo, oaba I muss seng, wo Teublitz is.“
Der Taxifahrer greift nach seinem Handy, öffnet die Google-Maps-App und findet Teublitz.
„Des san 150 Kilometer. S‘kost Minimum 350 €. Könnt’s des zoal’n.“
„Na sicher.“
Wolfgang Amadeus fasst in seine Manteltasche. Greift seinen Geldbeutel, nimmt sieben Fünfzigerscheine und drückt sie dem Taxifahrer in die Hand. Der schaut leicht verdutzt, kann ein zufriedenes Strahlen jedoch nicht verbergen. Die Geschäfte in der Nacht sind nicht so gut gelaufen. Da kommt diese Fahrt gerade recht.
„Dann samma jetzt unterwegs.“

Er rutscht zurecht, startet den Motor und los gehts.

Wolfgang Amadeus steigt ein und schaut aus dem Autofenster. Er sieht die Gebäude der Stadt, Straßenlaternen, Verkehrsschilder und Bäume an sich vorbeiziehen. Weihnachtlich ist es noch nicht. Kein Weihnachtsschmuck, keine Weihnachtsbeleuchtung. Teilweise sieht er sogar noch letzte Blätter an den Bäumen. Für sein Weihnachtsanliegen, das ihn nach Teublitz treibt, ist es vielleicht noch zu früh im Jahr.
Die Fahrt führt aus der hell beleuchteten Stadt hinaus zur A 9 und dann weiter nach Norden. Es ist düster. Wolfgang Amadeus döst mit geschlossenen Augen und bekommt nichts mit. Der Taxifahrer wundert sich, wie jedes Mal, wenn er um diese Zeit rund um München auf der Autobahn unterwegs ist, dass hier zur tiefsten Nacht starker Verkehr herrscht. Nach 40 Minuten Fahrt erreichen sie das Autobahndreieck Holledau und biegen ab auf die A 93, die nach Hof führt. Noch eine Stunde und sie gelangen zur Autobahnausfahrt Teublitz. Der Taxifahrer nimmt die Ausfahrt, die im dichten Samsbacher Forst liegt. Er biegt links in Richtung Teublitz ab. Als er das blaue Parkplatzschild rechter Hand sieht, hält er kurzerhand an. Er hat Mühe, Wolfgang Amadeus wach zu bekommen, der offenbar tief und fest im Schlaf liegt. Ein seliges Lächeln lässt sein schlafendes Gesicht strahlen. ‚Da träumt wos Scheens‘.

Er rüttelt ihn heftig, bis er langsam die Augen aufschlägt und ihn anblinzelt. Wolfgang Amadeus benötigt eine Weile, bis er sich orientiert hat. ‚Teublitz, genau‘, denkt er.
„Ja?“
„Wo soll’s hin geh’n?“
„Hab ich doch gesagt, nach Teublitz“.
„Do sammer scho.“
„Tatsächlich?“, Wolfgang Amadeus schaut sich kritisch um, „Schwarz wie die Nacht, dieses Teublitz.“
„Des is, weil’s dunkel is.“
„Wirklich?“, spöttelt Wolfgang Amadeus.
„Nu soag scho, sonst fliegst hier aussi.“
„Tongrube“, antwortet Wolfgang Amadeus.

Der Taxerer schaut ihn ratlos an, dann nimmt er sein Handy, tippt Tongrube Teublitz ein und erhält eine Adresse und die Wegbeschreibung.

„Is recht, dann san ma unterwegs“, grummelt er, schiebt seinen mächtigen Bauch hinters Lenkrad und fährt los. Wolfgang Amadeus sieht nur Wald, dann ein Gewerbegebiet, wo sie rechts abbiegen. Sie nehmen im Kreisverkehr die erste Ausfahrt. Ab hier ist es wieder stockdunkel. Die Straßenbeleuchtung ist zu Ende. Nach dem nächsten Rechtsabbieger wird die Straße schmaler und der Wald dichter. Plötzlich bremst der Taxifahrer scharf. Die Scheinwerfer seines Wagens beleuchten ein blaues Schild „Ton-Tagebau Weiherdorf, Abbaustätte 93158 Teublitz“. Hinter der Tafel ahnt man einen Holzverschlag.

„Da sammer“.

Er hält Wolfgang Amadeus den Wagenschlag auf. Der steigt aus, nimmt seinen Rucksack, den der Fahrer aus dem Kofferraum auf den Boden gelegt hatte, und schaut sich um. Es ist stockdunkel. Er hört die Bäume rauschen. Ehe er sich versieht, vernimmt er ein mürrisches „Servus“, der Motor heult auf und er steht allein im dunklen Wald, vor einem Ton-Tagebau.

Wolfgang Amadeus blickt um sich, so weit es eben geht, wenn man nichts sieht. Der Himmel ist bewölkt, weil es leicht regnet. So leuchten weder Sterne noch der Mond. Er spürt die sich im Wind wiegende Bäume. Der Umriss eines größeren Gebäudes ist kaum sichtbar. Er steht unschlüssig da. Er sollte irgendetwas tun. Wenn er noch länger dastünde, wäre er über kurz oder lang völlig durchnässt. Er muss sich sortieren, seinen Kopf klar bekommen. Er braucht Energie und Spannkraft. Nichts davon ist in ihm. Ein einziger Gedanke blockiert sein Gehirn allerdings.

„Das war wohl etwas voreilig Theo“, hallt seiner Mutter Stimme in seinem Gehirn wider.

Die ersten Tropfen fallen aus seinen Haaren auf die Schulter, als er einen Fuß in Richtung Gebäudeumrisse setzt. Der zweite folgt und nach zehn langsamen Schritten, die nicht gelingen, ohne mit dem ein oder anderen Fichtenstamm zu kollidieren,  berührt er mit seinen weit vor sich ausgestreckten Händen eine nasse und kalte Betonwand. Er hat das Gebäude erreicht. Ein Wind wirft sich auf und lässt ihn vor Kälte schaudern. Die Kiefern schütteln dicke Wassertropfen ab. Immer noch ist es stockdunkel. Er wendet sich nach rechts, warum weiß er nicht, reine Intuition. Ein Meter weiter verändert sich die Wand. Das ist Holz, sagen ihm seine Finger. Er stapft tastend voran, stolpert und fällt beinahe hin. 

Plötzlich tastet er ein Hindernis mit seinem rechten Fuß. Ein Stein. Ein großer, rechteckiger Block. Er ertastet mit den Händen einen schräg verlaufenden Holzbalken, der offenbar die Wand stützt. Er benötigt einige Zeit, bis er den Steinblock umrundet hat und ist an der Ecke des Holzschuppens angekommen, tastet sich um die Ecke. Jetzt ist er nicht mehr unter Bäumen und auf weichem nadelgepolsterten Boden, sondern der Untergrund ist asphaltiert. Festen Schrittes geht er, langsam tastend weiter die Holzwand entlang, bis er mit dem Bauch die Spitze einer Eisenstange anstößt. Es scheppert ein wenig. Nach intensivem tasten vermutet er eine gegen die Wand gedrehte Schranke. Der Zugang zum Tongrubengelände ist also offen. Die Schranke umgehend, erreicht er erneut eine Gebäudeecke, wendet sich wieder nach links und fühlt keine Wand mehr. Was ist das? Nach einigem fingern und fühlen stellt er fest, dass er vor einer offenen wandlosen Seite des Holzschuppens steht. 

Er stolpert hinein unter das Dach. Es hört auf zu tropfen. Zumindest befindet er sich nun im Trockenen. Der Wind zieht allerdings durch die Ritzen und Spalten in den Holzwänden gewaltig. Er friert. Er zittert vor Kälte. Da er immer noch nichts sieht, strauchelt er, fällt auf den Boden. Der ist zum Glück trocken, aber staubig. Er stellt sich vor, wie schmutzig er nun sein muss und schüttelt sich. Das mag er gar nicht. Sauberkeit war immer sein höchstes Gebot. Doch er rettet sich mit dem Gedanken, dass man für die hohe Kunst Opfer bringen müsse. So bleibt er sitzen, wo er hingefallen ist, schiebt sich seinen Rucksack in den Rücken und ruckelt sich einigermaßen bequem zurecht.

Er kommt langsam zur Ruhe. Ihm wird immer deutlicher, dass er eine große Dummheit begangen hat. Wie soll er hier die grandios imposanten Töne, die leisen lieblichen, die rhythmisch hüpfenden und die feierlich pompösen Wundertöne entdecken? Er hat es versäumt, einen Plan zu machen. Wie soll er seine wertvollen Töne finden? Wo sind sie versteckt auf dem Gelände der Tongrube? Je mehr er erkennt, wie unbedacht er losgezogen ist, umso schwerer legt sich ein dunkler Schleier auf sein Gemüt. Er bekommt eben nichts hin. Wie vermessen kann er sein, dass ausgerechnet er, der Versager vor dem Herrn, die herrlichsten Töne der Welt, die eines Mozart würdig wären, in dieser Tongrube finden könnte. Der Regen trommelt mittlerweile auf das Holzdach, der Wind zieht durch die Holzhalle. Er zittert und schnattert. Ihm fällt ein, dass er in einem klaren Augenblick einen Schlafsack in den Rucksack gesteckt hat. Er steht auf, öffnet ihn mühsam und wühlt im Dunkeln herum, bis er ihn ertastet und herauszieht. Er löst den Reißverschluss und hängt ihn sich wie eine überdimensionierte Decke über Kopf, Schultern und Rücken. Er zieht ihn vorne zusammen und langsam steigt ein wenig Wärme in ihm auf. Er lehnt sich gegen den Rucksack, dreht sich hin und her, bis er eine bequeme Stellung gefunden hat.

Als das Rascheln des Schlafsacks aufhört, wird es leise. Ihm dringen die Umgebungsgeräusche ins Ohr. Hier herrscht eine absolute Stille, die er aus München nicht kennt. Dort herrscht immer ein Grundrauschen. Hier ist es ganz und gar ruhig. Doch, wenn er seine Ohren spitzt, hört er Holz unter dem Druck des Windes leise knarren. Er schnappt das unrhythmische Trommeln des Regens auf das Holzdach auf. Dann schlagen draußen zwei Äste gegeneinander, was kurz einen sauberen Viervierteltakt ergibt. Dann raschelt etwas am Boden und eine Eule stößt ihr gruseliges „Huhu“ aus.

 

Ein Schauer läuft ihm über den Rücken, Gänsehaut auf seinen Armen. Er ist plötzlich aufgeregt und sitzt aufrecht. Was hört er da? Ein solch genialer Zusammenklang ist ihm noch nie zu Ohren gekommen. Der vollkommene Naturklang. Der Wind steigert sich, die Bäume rauschen lauter, die Äste und Zweige schlagen, das zunehmende Regentrommeln wandelt sich in ein Hämmern. Ein wahnsinniges Crescendo führt zu einem bis ins Knochenmarkt dröhnenden Donnerschlag. Wolfgang Amadeus Gefühlswelt gerät aus den Fugen. Er atmet hastig und schnell. Seine Hände klatschen den ätherischen Rhythmus mit. Wie begeisternd können Töne zusammenklingen? Er springt auf. Die kältestarrenden Knochen und die klappernden Zähne sind vergessen. Er schlittert in eine Ekstase. Begeistert sich. Versinkt in die Sinfonie der Natur. Besseres hat er nie gehört. Beethovens Pastorale ist im Vergleich hierzu ein billiger Abklatsch, Smetanas flötende Wasserwirbel der Moldau eine Simulation. Ein weiterer Donnerschlag lässt ihn jauchzen. Er tanzt mit springenden Füssen auf der Stelle. Jubelt. Schmettert eine nie vernommene Wetterarie, die sein musikesthetisches Empfinden aufs höchste befriedigt. Wolfgang Amadeus ist glücklich. Glückselig wie nie in seiner Existenz. Jetzt sterben und das Leben hätte sich gelohnt. Seine Ekstase steigert sich, wie die Wettersinfonie ihre Crescendi und Sforzati in die Welt hinaus hämmert. Wolfgang Amadeus ist einem emotionalen Taumel, der seine ganze Kraft kostet. Seine Knie werden im stampfenden Rhythmus weich. Er hat Mühe, sich aufrecht zu halten, bricht zusammen. Er liegt schwer atmend mit schmerzenden Knien und brennenden Oberschenkeln im staubigen Schmutz des Schuppenbodens. Das Schlagwerk der imposanten Musik ist verstummt, die anderen Stimmen werden leiser, bis eine Generalpause die absolute Stille hervorzaubert. Selbst diese beeindruckt Wolfgangs Amadeus musikalisches Empfinden, bis Tränen seine Augen füllen.

Eine leise Melodie, ein Flötensolo beginnt. Zauberhaft, noch nie gehört. Jetzt eine zweite Stimme, eine dritte. Die Melodielinien schlingen sich ineinander, bevor ein fester Knoten entsteht, lösen sie sich, beginnen von neuem. Ein traumhafter melodischer Strudel, der Wolfgang Amadeus Herz anzieht, wie nie etwas zuvor in seinem Leben. Er hört weitere Klänge nicht so rein, heiser, dunkler, angenehm weich und beruhigend. Dann ein quäkender hoher Klang, der sich mit den anderen mischt. Ein im Tiefen voller und warmer Klang, der in der Höhe quieken kann, stimmt sich ein und macht einen herrlichen Kontrast zu den anderen Stimmen.
Amadeus liegt schwer atmend, aber glücklich im Schmutz auf dem Boden. Er ist erfüllt von wunderbarster Musik. Weder Staub noch Kälte spürt er. Lang ausgestreckt erkennt er langsam Ritzen im Bretterdach des Verschlages es wir hell. 

Der erste Sonnenstrahl bleibt wegen der Überfülle seiner Wahrnehmung unbemerkt. Währenddessen hat sich eine Komplexität der Themen und deren Exposition eingestellt, der selbst die Polyphonie und den Kontrapunkt eines Johann Sebastian Bach nicht erreicht haben. Es wird schnell hell. Mit dem zunehmenden Licht steigert sich das Tonspektrum. Tiefe rhythmische Klänge liefert der Wind, indem er Bewegung und Töne erzeugt. Ergänzt wird dieses reiche Schlagwerk durch tiefste synkopische Grundtöne. Auch das Tempo verschärft sich mit der Helligkeit vom schreitenden Andante mit zum hektischen Prestissimo. Wolfgang Amadeus atmet schwer. Seine Brust hebt und senkt sich wie nach einem Marathonlauf. Jetzt noch ein Schlusssprint und er verliert beseelt und euphorisch das Bewusstsein. Schlagartig empfindet er absolute wohltuende, erholsame und befriedigende Ruhe, bevor er endgültig hinüberdämmert.

Der erste Arbeiter der Tongrube hört dies alles nicht. Das Gezwitscher und Getöne im Wald vernimmt er jeden Morgen aufs Neue. Er schüttelt den Kopf, als er die offene Schranke erblickt.

„Schlamperei“, schimpft er vor sich hin, biegt nach links und erblickt die liegende reglose Gestalt. „Ah geh! Schlaffa jetzt die Grattler scho do?“

Er marschiert auf ihn los und verpasst dem dort liegenden Körper einen leichten Fußtritt: „Steh auf, Grattler. Da hoscht nix zum Suchen.“

Wolfgang Amadeus hört nichts. Er spürt nichts. Er ist in einer tiefen Agonie gefangen, die gefüllt ist von seiner Wundermusik. Hier will er bleiben auf immer. Ewige Weihnacht mit nie gehörten Klängen. Geniale Tonkunst aus der Tongrube. Etwas zerrt an ihm, stört den überirdischen Genuss, droht seine Feierstunde zu stören. Ärger steigt auf. Wer stört ihn, ausgerechnet jetzt? Doch die unerhörte Unterbrechung ist nicht aufzuhalten. Die Musik tritt in den Hintergrund, wird profan. Andere Geräusche drängen sich auf. Schritte, Hantieren, Klappern und gedämpfte Stimmen, Hektik.

Wolfgang Amadeus wehrt sich gegen die störenden Eindringlinge. Er will seine elysische Musik zurück. Nichts anderes.
„Herr Müller, hören Sie mich?“
Wolfgang Amadeus rührt sich nicht. Wer ist Herr Müller? Er fühlt sich nicht angesprochen.
„Herr Müller, bitte!“
‚Man meint mich‘, geht ihm durch den Kopf, ‚heiße ich nicht Müller?‘
Er öffnet die Augen. Und schließt sie gleich wieder. Gleißendes Licht blendet ihn. Es dauert einige Zeit, bis er etwas erkennt. Er liegt offensichtlich in einem Bett, alles ist weiß. Es riecht medizinisch. Er ist im Krankenhaus, geht ihm auf.
„Herr Müller, verstehen Sie mich?“
Wolfgang Amadeus nickt.
„Gut, Sie befinden sich in der Universitätsklinik Regensburg. Man hat Sie auf dem Gelände der Tongrube-Weiherdorf in Teublitz gefunden. Sie sind unterkühlt und haben einen Kreislaufzusammenbruch erlitten. Verstehen Sie mich?“
Wolfgang Amadeus schaut dem weißhaarigen Arzt in die Augen und nickt.
„Sie werden noch einige Tage hierbleiben müssen, um sich vollständig zu erholen. Sollen wir jemanden anrufen?“
Wolfgang Amadeus schüttelt den Kopf, was einen leichten Schwindelanfall auslöst.
„Sie haben niemanden?“
Er verneint wieder mit dem Schädel, diesmal etwas vorsichtiger.

Nach wenigen Minuten liegt er allein in seinem Bett. Das piepen und blinken der medizinischen Geräte begleiten ihn, halten die so sehr ersehnte Weihnachtsmusik von ihm Fern. Er bemüht sich, doch kann er sie nicht mehr heraufbeschwören. Er verzweifelt. War alles umsonst?

Er schläft ein, wacht auf, isst ein wenig, dämmert erneut weg, wacht auf und der Arzt übergibt ihm die Entlassungspapiere. An die Heimfahrt nach München, wieder mit dem Taxi, erinnert er sich später kaum noch. Jetzt sitzt er in seinem Arbeitszimmer und grübelt über sein Erlebnis in der Tongrube nach. Er hat nichts in den Händen, was er für die angestrebte Komposition seines unvergleichlichen Weihnachtsliedes verwenden könnte.
„Alles war vergebens.“, sagt er an diesem Abend häufig.

„Ich kriege es wieder einmal nicht hin.“, ist der zweite Satz, den er wiederholt vor sich hin murmelt. Keine neue Note, die er notieren kann. Er hat die unglaublichsten Töne in der Tongrube gefunden. Doch was kann er damit anfangen. Der frappierendste Unterschied ist das Fehlen jeglicher Partitur. Bei dem kleinsten Musikstück hört er nicht nur, nein er sieht die Notation, fein geschrieben in den passenden Notensystemen vor seinem geistigen Auge. Aber die neue Traummusik verweigert den Zugriff. Sie lässt sich nicht notieren. Ein echter Reinfall. Er ist kein Stück weiter als vor seiner irren Fahrt. Kein sensationelles Weihnachtslied, das Mozart, Beethoven und Bach in den Schatten stellte.

Trotzdem will sich seine vor der Tongruben-Reise deutlich spürbare Betrübnis, ja Depression, nicht wieder einstellen. Etwas ist fundamental anders. Er spürt eine tief sitzende Erfüllung, die ihm bislang unbekannt war. Ihm wird langsam klar, worin sie begründet ist. Es ist sein einzigartiges musikalisches Erlebnis. Er kann diese bezaubernde Musik abrufen und immer wieder genießen. Er kann vor Ehrfurcht erschauern, weihnachtliche Festgefühle ausleben, wie nie zuvor. Eine unvergleichliche, traumhafte Erfahrung.

Doch das Teilen mit Anderen oder gar den Ruhm für solchermaßen geschaffene Musik zu erlangen ist unmöglich. Sein Plan ist dahin. Das Weihnachtsfest, so wie er es sich vorgestellt hatte, wird nicht stattfinden.
Der neue Weihnachtsstar mit altem Namen „Wolfgang Amadeus Superstar“ bleibt ein Traum.

Ein eitler Traum muss er zugeben.

Heiligabend kommt. Er sitzt allein in seinem Arbeitszimmer. Sein Haus erstrahlt in weihnachtlichem Glanz. Diesmal spürte er eine ungewöhnliche Erfüllung bei der Dekoration der Zimmer. Eine Vorfreude, die er seit Kindertagen nicht mehr wahrgenommen hat.

Als es so weit ist, setzt er sich in seinen Lieblingsarmlehnensessel, schiebt sich bequem in das weiche Polster und schließt die Augen. Und es passiert, er hört, was er in der Tongrube zu Tage gefördert hat. Bis dahin ungehörte Harmonien, Rhythmen,  Formen und Läufe.

„Das ist Weihnachten!“, freut er sich innerlich.

Er nimmt sich vor, den undurchdringlichen Heckendickicht abholzen zu lassen. Von heute an braucht er Licht.

Die Musik jubelt in seinem Kopf. Kein Weihnachtslied.

Weihnachtstöne.


Ich wünsche allen Lesern ein schönes Weihnachtsfest, vor allem besondere Weihnachtsmusik.

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